24 Stunden am Tag, 365 Tage im Jahr gefordert
Sandra Jegen pflegt ihren Sohn, der an Muskeldystrophie Duchenne (DMD) leidet. Die Erkrankung führt dazu, dass die Muskeln des 14-Jährigen zunehmend schwinden und er auf Hilfe angewiesen ist. Im Interview erzählt Sandra Jegen von ihren alltäglichen Herausforderungen als pflegende Angehörige.
Welche Pflegeaufgaben übernehmen Sie als pflegende Angehörige?
Die Pflegeaufgaben werden umfangreicher mit dem Fortschreiten der Krankheit meines Sohnes. Seit dem Sommer 2020 ist er auf den Rollstuhl angewiesen. Ich helfe ihm beispielsweise beim Aufstehen, An- und Ausziehen, beim Duschen oder beim Toilettengang. Die Situation ändert sich ständig, und wir werden regelmässig mit neuen Herausforderungen konfrontiert.
Seit Juni 2024 besuchen Sie den Lehrgang Pflegehelfende des SRK. Wie hilft Ihnen dieser im Alltag?
Ich bin begeistert von dem Kurs. Viele Aufgaben, die ich zuhause schon lange mache, werden dort detailliert erklärt. Ich gehe jedes Mal mit einem guten Gefühl nach Hause, weil ich weiss, was ich richtig gemacht habe und wo ich mich noch verbessern kann. Das Wissen, das ich dort erlerne, kann ich sofort im Alltag anwenden. Es hat mir auch geholfen, anders mit meinem Sohn umzugehen – mit mehr Wissen und noch mehr Verständnis. Am Ende des Kurses werde ich das Diplom erhalten, das mir ermöglicht, hilfsbedürftige Menschen auch ausserhalb der Familie zu pflegen.
Können Sie sich vorstellen, beruflich in der Pflege tätig zu sein?
Ja, das kann ich mir gut vorstellen. Ich bin gerne um Menschen herum und sorge mich darum, dass es anderen gut geht. Bevor ich Mutter wurde, habe ich als kaufmännische Angestellte im Büro gearbeitet. Die Pflegeaufgaben habe ich mir durch den Alltag mit meinem Sohn selbst beigebracht. Ich kann mir vorstellen, dies später weiterzuverfolgen.
«Ich schätze, dass ich mich bei Fragen oder Problemen an meine fallführende Pflegefachperson bei der Caritas wenden kann. Ihre Rückmeldungen helfen mir im Alltag.»Sandra Jegenpflegende angehörige
Sie sind aktuell bei der Caritas als pflegende Angehörige angestellt. Was war die Motivation dafür?
Ich wollte mich sozial absichern. Dank der Anstellung wird monatlich in meine AHV eingezahlt und ich habe eine Pensionskasse. Das gibt mir ein gutes Gefühl.
Was hat sich durch Ihre Anstellung verändert?
Ich schätze, dass ich mich bei Fragen oder Problemen an meine fallführende Pflegefachperson bei der Caritas wenden kann. Ihre Rückmeldungen helfen mir im Alltag. Ausserdem erhalte ich jetzt von aussen Wertschätzung für meine Arbeit, was mir vorher oft gefehlt hat. Ich schreibe täglich auf, was ich alles erledigt habe, und bin selbst überrascht, wie viel das eigentlich ist. Die Pflegeaufgaben, die ich erledige, sind auch Arbeit – das wird mit der Anstellung klar.
Welche Unterstützung wünschen Sie sich für pflegende Angehörige auf gesellschaftlicher oder politischer Ebene?
Ich wünsche mir, dass alle Eltern, die ihre pflegebedürftigen Kinder zu Hause betreuen, als pflegende Angehörige angestellt werden können. Ich kenne Fälle, bei denen die Krankenkasse die Grundpflege ablehnt. Das darf nicht sein! Diese Aufgabe ist psychisch und physisch sehr fordernd, sie bestimmt das Leben und dauert 365 Tage im Jahr – da muss dringend mehr Unterstützung her.
Was wünschen Sie sich konkret für Ihre eigene Situation?
Der administrative Aufwand mit Behörden ist enorm. Ständig muss ich die Hürden in unserem Alltag erklären und dieselben Nachweise erbringen – gerade wenn es um die Finanzierung von Hilfsmitteln für meinen Sohn geht, beispielsweise den integrierten Lift bei einem neuen elektrischen Rollstuhl. Ich wünsche mir, dass die Verantwortlichen bei den Behörden den Alltag und die Krankheit meines Sohnes besser verstehen.